Berufliche Perspektiven nach zwei Jahren als Junior Entwickler
Im September 2023 bin ich in die IT-Branche eingestiegen. Ohne großes Vorwissen, aber mit einer klaren Vorstellung: Ich wollte programmieren. Richtig programmieren, nicht nur Frameworks zusammenstecken. Dass ich dann ausgerechnet in einer Welt gelandet bin, in der COBOL, RPG, CL und IBM i den Ton angeben, hätte ich vorher nicht gedacht. Heute bin ich froh darüber.
Mein aktueller Arbeitgeber entwickelt ein Warenwirtschaftssystem und ein Lagerverwaltungssystem auf IBM i – mit einem hauseigenen COBOL-Framework, das in vielen Bereichen fast schon an ABAP erinnert. Dazu Java, ein bisschen RPG, viel SQL (Db2 for i) und eine Architektur, die in Teilen älter ist als ich. Mich reizt genau das: Systeme, die seit Jahrzehnten laufen und jeden Tag produktiv sind.
Gestartet bin ich damals mit 48.000 € Jahresgehalt. Nach der Probezeit konnte ich auf 54.000 € nachverhandeln. Vor einigen Monaten kam dann ein Angebot, das die Situation komplett verändert hat.
Der deutsche KfZ-Premiumhersteller – technisch spannend, organisatorisch ein Abturner
Über einen Recruiter auf Xing bin ich auf eine Stelle in der Automobilindustrie gestoßen. Dort läuft alles auf einem IBM Mainframe unter z/VSE, mit COBOL und CICS. Technisch wäre das ein Traum gewesen: echte Transaktionssysteme, alte Schultern, moderne Herausforderungen.
Gehalt: 65.000 € wären drin gewesen.
Der Teamleiter: Voller Energie, absolut mit Feuer dabei – ähnlich wie bei meinem aktuellen Arbeitgeber.
Und trotzdem ein Nein. Fünf Tage Präsenzpflicht, keine Flexibilität, mehrere Red Flags im Gespräch. 2025 noch so zu arbeiten, muss man wollen. Ich will es nicht.
Die Versicherung – schwerer Tanker, aber überraschend modern
Kurz darauf kam über LinkedIn der Kontakt zu einer großen Versicherung. Ein echter Konzern, der gerade Schritt für Schritt von IMS auf Db2 und von COBOL auf Java migriert. Nicht kopflos, sondern mit Augenmaß – alte Themen werden modernisiert, wenn es Sinn ergibt. Als Entwickler wäre man dort im aufrgenden Spannungsfeld zwischen Legacy (bzw. Legendary) und Zukunft unterwegs.
Gehaltlich reden wir, für mich, über eine Range von 75.000 bis 80.000 € im Jahr.
Zwei von drei Tagen im Büro wären gewünscht.
Die Standorte liegen in Städten, in denen man wirklich leben kann.
Ein Umzug wäre mittelfristig gewollt. Das wäre für mich (und uns) irgendwas zwischen herausfordernd und aufregend. Eine echte Chance und ein Neuanfang.
Der IT-Dienstleister in der Finanzindustrie – familienfreundlich, modern und technisch stabil
Über Xing kam dann noch ein dritter Recruiter. Diesmal ging es um ein Unternehmen, das Dienstleistungen für Banken anbietet, ebenfalls auf IBM Mainframe, ebenfalls COBOL.
Dieses Unternehmen setzt stark auf Familienfreundlichkeit und Flexibilität.
Die Konditionen liegen grob in der gleichen Liga wie bei der Versicherung.
Zwei Tage Büro, der Rest frei einteilbar.
Arbeitszeit innerhalb eines großzügigen Rahmens frei gestaltbar.
Selbst ein Eltern-Kind-Büro gibt es – für die Tage, an denen nichts so läuft wie geplant.
Technisch wäre das klassische Mainframe-Entwicklung. Stabil, wichtig, tief. Und die Kultur klingt (für einen Konzern) ungewohnt menschlich.
Was die letzten zwei Jahre mit mir gemacht haben
Was mich überrascht: Ich bekomme von all den Horrornachrichten über Massenentlassungen, Outsourcing nach Polen und Indien und dem „Ende von echten Juniorstellen“ rein gar nichts ab.
Im Gegenteil: Große Konzerne und bekannte Unternehmen wollen jemanden wie mich – jemanden, der COBOL liest und schreibt, IBM-Systeme fühlt und Java nicht verlernt.
Das war am Anfang nicht absehbar. Der Einstieg in COBOL war.. ungeplant. Aber er hat sich ausgezahlt. Ohne IBM i, ohne Legacy, ohne Datenbanknähe wäre ich heute vermutlich einer von vielen Java- oder JavaScript-Entwicklern, die um die gleichen Stellen konkurrieren. Stattdessen habe ich die Wahl.
Der aktuelle Arbeitgeber – und das Problem
So sehr ich meinen Einstieg dort schätze: Mein Job verändert sich. Aus Entwicklung wird mehr und mehr Support. Statt Produktlogik zu entwickeln, lande ich in Tickets, Beratung, Analyse, Projektbegleitung.
Ich wurde nicht vollständig ins Produkt onboarded, soll aber gleichzeitig Kunden beraten, komplexe Fälle einschätzen und täglich Kundenanfragen aus dem Echtbetrieb lösen, die ich fachlich erst noch verstehen muss. Das erzeugt Druck – an guten Tagen spürbar, an schlechten Tagen erdrückend.
Ich will entwickeln. Nicht Prozesse flicken. Ich will in COBOL besser werden, Java vertiefen, SQL weiter nutzen. Kein reiner Supporter werden, der "Altbestände" elendsverwaltet.
Und deshalb wird sich etwas ändern müssen.
Wie es weitergeht
Stand heute läuft es auf zwei Optionen hinaus: die Versicherung oder der Bank-Dienstleister. Beide bieten Entwicklung. Beide bieten Perspektiven. Beide bieten ein Umfeld, in dem man langfristig wachsen kann.
Welche Entscheidung die richtige ist, wird sich nicht an der Technik festmachen, sondern daran, was zu meinem Leben passt.
Eines weiß ich aber sicher: Der Schritt in die IBM-Welt war die richtige Entscheidung. COBOL zu lernen, Java nicht zu verlieren, SQL zu schätzen – das hat mir Möglichkeiten eröffnet, die ich vor zwei Jahren nicht einmal erahnt hätte.
Und egal, wie es ausgeht: Der Weg fühlt sich richtig an.